Johann Bossard als Buchillustrator

Einführung

Die Buchillustrationen Johann Bossards entstanden sämtlich in den Jahren 1900 und 1901, als er einerseits noch in Berlin studierte (wohl gleichzeitig an der Königlichen akademischen Hochschule für bildende Künste und der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbe-Museums) und andererseits als freiberuflicher Künstler arbeitete.1 In dieser Zeit ist von einem nicht unbeträchtlichen wirtschaftlichen Druck auf den Künstler auszugehen, so dass die Buchillustration eine interessante Erwerbsmöglichkeit für ihn war. Bemerkenswert ist allerdings die außerordentlich hohe Qualität von Bossards buchkünstlerischen Werken, die er gleich in seinem ersten illustrierten Buch, Hans Christian Andersens (1805–1875) Märchen „Die Geschichte von einer Mutter“, erreichte. Dieses hohe Qualitätsniveau spricht dafür, dass Bossard bei der Erschaffung seiner illustrierten Bücher bei allen wirtschaftlichen Motiven auch von einer starken inneren Notwendigkeit getrieben wurde. Wohlmöglich reizte ihn auch bereits vor der Errichtung seines großen Gesamtkunstwerks am Rande der Lüneburger Heide die Aufgabe, ein künstlerisch gestaltetes Buch als „kleines Gesamtkunstwerk“2 zu begreifen und umzusetzen (Abb. 1).

Sämtliche Buchillustrationen Bossards sind für den Verlag von Fischer & Franke entstanden, der daher an dieser Stelle genauer vorgestellt werden soll. Der folgende Exkurs zur Verlagsgeschichte versteht sich dabei auch als Beitrag zu einer „qualitativen Netzwerkanalyse“ des Personenzirkels um Johann Bossard. Seine belegte Verbindung zu den Verlegern und seine Kenntnis ihrer Publikationen können darauf hinweisen, dass er deren Ideen kannte und möglicherweise teilte.3 Dies ist umso bedeutsamer angesichts der Tatsache, dass aus den Jahren um und nach 1900 kaum Eigenaussagen von Johann Bossard erhalten sind.

Exkurs: Zur Geschichte des Verlags von Fischer & Franke, Berlin

Hinter dem Berliner Verlag von Fischer & Franke (oder kurz Fischer & Franke) standen Albert Fischer Edler von Zickwolff (? –?) und A. W. (Anton Willibald) Franke (1871–1925 ).4 Publikationen sind spätestens seit 1897 fassbar.5 Die Zeitschrift „Deutsche Kunst und Decoration“ wirft ein Schlaglicht auf die frühe Verlagsgeschichte. 1899 bescheinigte sie Fischer & Franke, mit der „Bibliothek für Bücherliebhaber“ „[i]n letzter Zeit mit guten Buch-Ausstattungen sowohl in älteren Stilen als in der neuen Art hervorgetreten“ zu sein;6 wenig später wird der Verlag in derselben Zeitschrift als „einer der Vorkämpfer der modernen deutschen Librairie“ gelobt.7 Fischer & Franke war auf bildende Kunst und auf das illustrierte Buch spezialisiert; außerdem reproduzierten sie Druckgrafiken deutscher Künstler, vor allem der Renaissance, in Form von Büchern und Mappen. Von 1902 bis 1909 erschien bei Fischer & Franke das „Jahrbuch der bildenden Kunst, früher Almanach für bildende Kunst und Kunstgewerbe“.

Bei der Zusammenstellung der illustrierten Bücher hatten Fischer und Franke offenbar auch die Verkäuflichkeit der Produkte im Blick. So trat der Verlag 1899 mit einer neuen Reihe, betitelt „Ars amandi“, an das Publikum heran, die Klassiker der erotischen Literatur enthielt – mit Illustrationen zeitgenössischer Künstler (beispielsweise von Franz Stassen und Hans Mützel). Zu den Illustratoren, die für Fischer & Franke arbeiteten, gehörten auch der Jugendstilkünstler Otto Eckmann (1865–1902), der 1899 ein „Heine-Breviarium“ gestaltete,8 und Heinrich Vogeler (1872–1942), dessen Illustrationen zu Gerhart Hauptmanns (1862–1946) „Die versunkene Glocke“ als Höhepunkte im zeichnerischen Werk des Künstlers gelten.9 Fischer & Franke publizierte auch zwei Mappen mit Radierungen Worpsweder Künstler: „Vom Weyerberg“ und „Aus Worpswede“.

Zu den Autoren, die für Fischer & Franke tätig waren, gehörte auch Adolf Grabowsky, der sich 1909 in zwei Zeitschriftenaufsätzen sehr positiv zu Johann Bossard äußerte.10

Außerdem erschien im Verlag Fischer & Franke von 1899 bis 1903 die Reihe „Jungbrunnen. Ein Schatzbehalter deutscher Kunst und Dichtung“. Es handelte sich um broschierte Hefte im Oktav-Format mit farbigen Umschlagmotiven und zahlreichen Buchillustrationen in Schwarz. Geplant war die Erscheinung von einem Heft pro Monat. Zu den Illustratoren gehörten neben Johann Bossard Franz Stassen (1869–1949), Ernst Liebermann (1869–1960), Hugo L. Braune (?–?), Bernhard Wenig (?–?), Josef Damberger (1867–1951?), Hermann Bek-Gran (1869–1909), Fritz Philipp Schmidt (?–?), Hans von Volkmann (1860–1927), Georg A. Strödel (? –?), Richard Mauff (1877–1945), Georg Barlösius (1864–1908), Franz Hein (1863–1927) und Maximilian Dario (?–?). Stilistisch orientieren sich die Illustrationen am Historismus; Zugeständnisse an den Jugendstil, etwa in den Illustrationen von Bernhard Wenig, sind die Ausnahme. Die künstlerisch hochwertig gestalteten Hefte wurden mit erschwinglichen Materialien und Reproduktionstechniken produziert, so dass sie für den überschaubaren Preis von 1,25 Mark pro Heft (im Abonnement eine Mark pro Heft) verkauft werden konnten. Nach Einschätzung eines zeitgenössischen Kritikers waren die Illustratoren der „Jungbrunnen“-Reihe , „[…] zumeist biedere, tüchtige Künstler, die ihre Aufgabe rechtschaffen erledigen, zuweilen allerdings gar sehr trocken und hausbacken wirken.“11

Das erste „Jungbrunnen“-Heft: „Der Bärenhäuter und die 7 Schwaben. Zwei Märchen in Bildern von Franz Stassen“ erschien im Oktober 1899. Ein Nachwort der Verleger am Ende des Hefts präzisiert die Intention der Reihe: „Der Jungbrunnen […] soll im Beginne des kommenden Jahrhunderts ein lebendiger Zeuge sein echt deutscher Kunst und aller Welt zeigen, dass, was auch von ungesundem Wälschthum über unsere Grenzen getragen wurde, das deutsche Volk und die deutsche Kunst kräftig und gesund genug ist, es abzuschütteln […].“ „Wir wollen nun mit dem Jungbrunnen beweisen, dass die deutsche Kunst unserer Zeit mehr denn jede andere berufen ist, eine Erzieherin des Volkes zu werden, sein ästhetisches Gefühl zu bilden und es zu entwöhnen von der faden Wassersuppe der sogenannten Familienblätter, Prachtwerke und Bilderbücher, auf dass es wieder Geschmack finde an einer kräftigeren und edleren Kost.“ „Wie seine Märchen, Schwänke und Volkslieder es gewesen sind, an denen das deutsche Volk sich immer wieder künstlerisch aufgerichtet hat, so soll der Jungbrunnen denn auch ausschliesslich Märchen, Sagen, Schwänke, Volkslieder und solche Kunstdichtungen enthalten, die entweder schon Allgemeingut des deutschen Volkes […] sind, oder die durch ihre Volksthümlichkeit geeignet sind, es zu werden. Die Hauptsache aber sollen in diesem Werke die Bilder sein, da die Texte mannigfach sonst verbreitet sind; der Text soll mehr nur die Erläuterung des Bildes sein. Die Bilder sollen räumlich überwiegen, denn die Stoffe sollen nur die Anregung für den Künstler sein, zu schaffen im echten deutschen Sinne, sodass das Werk in der That ein Jungbrunnen werde im zweifachen Sinne des Wortes, denn einmal soll die deutsche Kunst sich durch diese ihr gestellte hohe Aufgabe verjüngen, andrerseits soll aber dem deutschen Volke in neuen anregenden Formen geboten werden, was es schon längst kennen sollte, auf dass es für Herz und Gemüth daraus Jugendkraft, Jugendmuth und Jugendlust schöpfe und sein ästhetisches Gefühl am Bilde läutere und verfeinere.“12

Die „Jungbrunnen“-Reihe zielte also auf eine Stärkung nationaler Identität mit Hilfe von als ‚volkstümlich‘ empfundenen Texten und Illustrationen. Die bildende Kunst sollte dabei einerseits zum Adressaten des nationalen Erneuerungsbestrebens werden, andererseits aber auch eine erzieherische Funktion für die Rezipienten der illustrierten Hefte übernehmen. Ganz im Sinne der Buchkunstbewegung gaben sich die Verleger damit überzeugt vom erzieherischen Potenzial des (illustrierten) Buchs.

Der programmatische Text von Fischer und Franke macht deutlich, dass sowohl der historistische Stil der „Jungbrunnen“- Illustrationen als auch die Renaissance-Kostümierung in vielen der Darstellungen das Ergebnis einer bewussten verlegerischen Entscheidung waren. Das im Text genannte „ungesunde Wälschthum“ zielt in diesem Zusammenhang wohl weniger auf Italien als auf Frankreich und auf den Jugendstil als mutmaßlich französische Stilrichtung. Anzunehmen ist, dass diese programmatische Intention auch einige der übrigen Publikationen von Fischer & Franke prägte. Die Rezension des 2. Bandes der „Ars Amandi“ schließt jedenfalls mit der Feststellung, „dass es nicht nur darauf ankäme modern zu sein bis zum Excess, was am Ende nur zu ‚kindlichen Stümpereien‘ und ‚Rohheiten‘ führe, sondern dass eben ein wirklich besserer Stil anzustreben sei.“13

Spätestens 1910 löste sich der Verlag Fischer & Franke auf. Franke erwarb den Hauptteil des Verlags, unter anderem alle für Fischer & Franke angefertigten Zeichnungen samt Reproduktionsrechten, und gründete wohl vor dem 11.7.1910 A. W. Franke´s Verlag in Stuttgart-Bad Cannstadt.14 Franke brachte unter anderem Nachdrucke von Publikationen des Verlags Fischer & Franke heraus und stellte Anthologien mit illustrierten Texte aus der „Jungbrunnen“-Reihe zusammen.

Die nachträgliche Verwertung der Publikationen von Fischer & Franke fand teilweise auch im Holbein-Verlag statt, der am 24.11.1910 in Stuttgart-Bad Cannstadt gegründet wurde.15 Der Holbein Verlag bestand von 1910 bis 1933. 1912 ist als Inhaberin Elsa Franke geb. Junghans (? –? ) belegt, die wohl Frankes Ehefrau war. Einer von zwei persönlich haftenden Gesellschaftern des Holbein-Verlags war bis 1915 Willibald Franke.

Im Sinne der qualitativen Netzwerkanalyse (s. die Einführung zu diesem Text) ist festzuhalten, dass sich Johann Bossard bereits um 1900 in einem Umfeld bewegte, das auf eine Stärkung der nationalen Identität in der bildenden Kunst abzielte; die so entstandenen Werke sollten dann in der Folge erzieherische Wirkung auf ihre Rezipienten ausüben. Das erste Heft der „Jungbrunnen“-Reihe mit dem programmatischen Text der Verleger befindet sich – wie zahlreiche andere „Jungbrunnen“-Hefte sowie einige Publikationen des Verlags Fischer & Franke – in Johann Bossards Nachlass, so dass denkbar ist, dass Bossard den Text studierte, wohlmöglich sogar von den Verlegern dazu aufgefordert wurde, seine Illustrationen dieser verlegerischen Intention anzupassen.16 Die erzieherische Wirkung der Kunst, gerade im Zusammenhang mit der Anwendung solcher Formen, die als regional- und nationaltypisch empfunden wurden, sollte den Künstler ab 1911 auch bei der Ausgestaltung seines Anwesens am Rand der Lüneburger Heide intensiv beschäftigen.17

Die Geschichte von einer Mutter

Johann Bossard: Die Geschichte von einer Mutter, Doppeltitel, 1900, BJB2426, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Johann Bossard: Die Geschichte von einer Mutter, Doppeltitel, 1900, BJB2426, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Bossards erstes illustriertes Buch und sein erstes Werk für den Verlag Fischer & Franke ist das umfassend gestaltete und illustrierte Märchen „Die Geschichte von einer Mutter“ von Hans Christian Andersen (A2, Abb. 2). Den Kontakt zum Verlag hatte Aemil Fendler (?–?), Mitarbeiter der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbe-Museums, hergestellt. Er hatte Bossard „Empfehlungskarten“ für Fischer & Franke sowie für den Verlag Schuster und Löffler ausgestellt und erläutert, es handele sich um „[…] Verlagsfirmen, die modern ausgestattete und illustrierte Sachen herausgeben. Stellen Sie sich vor und sagen Sie, ich hätte Ihnen das gerathen und Ihnen gesagt, dass Sie dort wahrscheinlich Aufträge erhalten würden.“18 Bossard hatte Aemil Fendler vermutlich während seines Studiums an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbe-Museums kennengelernt. Fendler hatte auch den Einführungstext zur Mappe „Dekorative Malereien“ (A1) verfasst; in der Publikation wird er als „Direkt.-Assistent am Kgl. Kunstgewerbe-Museum in Berlin“ bezeichnet.

Johann Bossard: Die Geschichte von einer Mutter, Seite 14/15 (n.p.), 1900, BJB2426, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Johann Bossard: Die Geschichte von einer Mutter, Seite 14/15 (n.p.), 1900, BJB2426, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Denkbar ist, dass Bossards Freund, der Maler und Grafiker Hermann Hirzel (1864–1939), beim Verlag Fischer & Franke ebenfalls als Fürsprecher auftrat, da er zum Kreis der Illustratoren gehörte, die für das Verlagshaus tätig waren.19 Hirzel hatte Schweizer Wurzeln und stand seinem Landsmann Bossard bei der Suche nach Mäzenen und Auftraggebern hilfreich zur Seite.

Die Illustrationen sind von Bossard auf dem gezeichneten Doppeltitel auf das Jahr 1900 datiert. Laut Verlagsprospekt sollte das Buch ein Teil der „Jungbrunnen“-Reihe des Verlags Fischer & Franke sein und für den Preis von 6 Mark angeboten werden.20 Die erhaltene farbige Vorzeichnung für das Titelbild trägt auch noch die Aufschrift „Jungbrunnen“ (Abb. 1).21 In der gedruckten Buchausgabe taucht an derselben Stelle der Schriftzug „Ein Märchen“ auf. Das gedruckte Buch enthält keine weiteren Hinweise auf die „Jungbrunnen“-Reihe, die wie oben ausgeführt aus broschierten Heften kleineren Formats bestand. Es ist daher anzunehmen, dass die Publikation zwar zunächst für die Jungbrunnen-Reihe vorgesehen war, dann aber als repräsentative Buchausgabe größeren Formats publiziert wurde. Der Grund dafür mag der hohe künstlerische Aufwand gewesen sein, der ein größeres Format und einen höheren Verkaufspreis gerechtfertigt erscheinen ließ. Denkbar ist allerdings auch, dass der Stil von Bossards Illustrationen, eine sehr individuelle Symbiose von Akademismus, Jugendstil und Symbolismus, im Sinne der programmatischen Zielrichtung der „Jungbrunnen“-Reihe als unpassend empfunden wurde.

Bemerkenswert ist die künstlerische Durchgestaltung des Buchs durch Johann Bossard, die sich vom Einband über Titel, Vignetten und Schmuckelemente bis hin zum Verlegernachweis am Ende der Publikation erstreckt. Sämtliche Textelemente wurden von Bossard von Hand geschrieben, wobei davon auszugehen ist, dass die Schrift in der Art der Fraktur von ihm selbst entworfen wurde. Im Gegensatz zur gedruckten Fraktur sind die Linien der von Bossard mit der Feder gesetzten Buchstaben dünner und dynamisch geschwungen. Sie bilden zusammen mit den mit der Feder gezeichneten Illustrationen und Schmuckelementen eine kongeniale Einheit.

Johann Bossard, Entwürfe zum illustrierten Buch „Die Geschichte von einer Mutter“, Umschlagvorderseite, 1900, JB1434, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Johann Bossard, Entwürfe zum illustrierten Buch „Die Geschichte von einer Mutter“, Umschlagvorderseite, 1900, JB1434, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Die im Nachlass Johann Bossards erhaltenen seitengleichen Vorzeichnungen (Abb. 3, 4) belegen, mit welcher Konsequenz der Künstler das Buch als Ganzes entwarf und beim Entwurf immer von der geöffneten Doppelseite ausging. Für seinen Entwurf fertigte Bossard ein Skizzenbuch etwa im Format der gedruckten Buchausgabe an. Aus steifem Papier schnitt er einen Einband im Format 28,3 bis 28,7 x 50 cm, den er in der Mitte faltete und in den er neun feste Bögen im Format von etwa 28,4 x 24,2 cm einlegte. Seitlich wurden Einband und Bögen durchbohrt und mit schmalen Leinenstreifen zusammengeheftet. Die Entwurfszeichnungen weichen in kleinen Details vom gedruckten Buch ab, sind teils auch etwas skizzenhafter gehalten. Bei der Vorbereitung der – nicht erhaltenen – Druckvorlage wurden folglich alle Buchstaben und Zeichnungen erneut von Hand gezeichnet, bevor der Vervielfältigungsprozess im Medium der Strichätzung seinen Lauf nahm.

Johann Bossard, Entwürfe zum illustrierten Buch „Die Geschichte von einer Mutter“, Titel, 1900, JB1434, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Johann Bossard, Entwürfe zum illustrierten Buch „Die Geschichte von einer Mutter“, Titel, 1900, JB1434, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Die Vervielfältigung in Form von Strichätzungen sowie die Verwendung wertiger, jedoch nicht übermäßig teurer Materialien sollte offenbar breitere Käuferschichten ansprechen. Als Teil dieser Verkaufsstrategie ist wohl auch eine weitere Besonderheit der gedruckten Buchausgabe zu bewerten: Die Seiten sind in der Art einer Japanbindung nur von einer Seite bedruckt und in der Mitte gefaltet gebunden. Dadurch wird das Ungewöhnliche, die individuelle künstlerische Gestaltung des Buches betont. Gleichzeitig hat diese Bindung den Vorteil, dass das Papier doppelt liegt und so das „Durchschlagen“ von der Gegenseite vermieden wird, ohne dass ein allzu festes Papier für die Buchseiten verwendet werden musste. Auch dies war ein geschickter Kunstgriff im Sinne einer bibliophilen Gestaltung, die sich nicht allzu empfindlich auf die Herstellungskosten auswirkte.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Bossard mit „Die Geschichte von einer Mutter“ ein Werk vorlegte, das den Forderungen der Buchkunstbewegung nach einer einheitlichen Gestaltung und Vervielfältigung auf bestmögliche Weise genügte. Diese dürfte er sich durch entsprechende Publikationen sowie durch den Unterricht an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbe-Museums angeeignet haben. Gerade angesichts der moderaten Preisgestaltung ist es schwer verständlich, dass die Publikation, wie Franke rückblickend erklärte, ein „absolute[r] Misserfolg“ war.22 Möglicherweise war der Grund der schwierige Inhalt des Textes: Ein Kind stirbt, seine Mutter will es aus dem Totenreich zurückholen und kann gegen alle Widerstände ihr Ziel erreichen, verzichtet schließlich jedoch auf ihren Wunsch und fügt sich in das höhere Geschick.

Johann Bossard erläuterte rückblickend, im dem Buch fänden sich „Versuche, lebendige Symbole zu geben durch Linien, die im Beschauer indem er ihrem Zuge folgt Gefühle und Einsichten erwecken, obgleich sie nur die Grenzen geometrischer Formen zu sein scheinen.“23 Kurz darauf präzisierte er seine Kunstauffassung, und zwar wiederum am Beispiel der „Geschichte von einer Mutter“: „Das Spirituale ist das Wesentliche meiner Kunst & zwar nur gradweise verschieden in den verschiedenen Werken & Techniken. Um bei dem Andersenmärchen zu bleiben wäre der Text der Stoff, in den Bildern verkörpern sich die seelischen Vorgänge, aber über den beiden manifestiert sich ein rein geistiges Bewusstsein, ein befreites Wissen. Wenn das Gefühl Bild geworden ist so heisst das bei mir dass die Empfindung der Seele geistiger Klarheit teilhaftig geworden ist. Die Gestalten sind gewusst & verdanken ihre Existenz nicht der Beobachtung von Zufällen. Wenn ich heute, nach 13 Jahren die Zeichnungen sehe so muss ich sagen wie sie doch so schlecht gezeichnet sind, aber mein Wunsch kann nur der sein, die Wahrheit, die noch immer dieselbe ist, besser zu sagen.“24

Wanderschaft

Johann Bossard: Wanderschaft, Entwürfe für ein Künstlerbuch, Titel, 1900, JB1126, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Johann Bossard: Wanderschaft, Entwürfe für ein Künstlerbuch, Titel, 1900, JB1126, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Ebenfalls für den Verlag Fischer & Franke entwarf Bossard das illustrierte Buch „Wanderschaft. Eine Dichtung in Bildern“, die er auf 1900 datierte.25 Ähnlich wie zu „Die Geschichte von einer Mutter“ fertigte Bossard ein Skizzenbuch aus festem Papier, mit Leinenstreifen einfach gebunden, wohl im Originalformat, in diesem Fall 42 x 35 cm (Abb. 5, 6) . Darin entwarf er Texte und Bilder vom Umschlag über den Titel bis hin zum Verleger- und Druckernachweis ganz am Ende des Bandes. Die Darstellungen zeigen die Abenteuer eines jungen Mannes, der schließlich geläutert in sein Elternhaus zurückkehrt und eine Familie gründet – die Titel gebende „Wanderschaft“ ist damit nicht nur als körperliche, sondern auch als geistige Reise zu verstehen. Im Vergleich mit der „Geschichte von einer Mutter“ sind die Anklänge an Jugendstil und Symbolismus zurückgenommen, manche Kostümdetails erinnern an die Mode der Renaissance in Deutschland.

Johann Bossard: Wanderschaft, Entwürfe für ein Künstlerbuch, Titel, 1900, JB1126, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Johann Bossard: Wanderschaft, Entwürfe für ein Künstlerbuch, Titel, 1900, JB1126, Foto: Kunststätte Bossard, Jesteburg

Die Tatsache, dass Bossard nochmals ein illustriertes Buch in Gänze entwarf und sogar schon die Namen von Verleger und Drucker in die Gestaltung miteinbezog, spricht dafür, dass er mit einiger Sicherheit von einem Nachfolgeauftrag zu seinem ersten illustrierten Buch ausging.26 Die Publikation hätte thematisch gut in die Reihe „Teuerdank: Fahrten und Träume deutscher Maler; zwanglose Bilderfolgen lebender Künstler“ gepasst, die zwischen 1900 und 1904 von Fischer & Franke publiziert wurde. In Ermangelung erhaltener Archivalien kann an dieser Stelle nur vermutet werden, dass die schlechten Verkaufszahlen der „Geschichte von einer Mutter“ der Grund dafür gewesen sein könnten, dass ein avisierter Auftrag im Sande verlief.

Die Eisjungfrau

Abb. 07

Die Eisjungfrau, Erzählung aus den Schweizer Bergen von Hans Christian Andersen, Mit Zeichnungen von Johannes Bossard, Seite 48, BJB2427, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Etwas besser als „Wanderschaft“ ist die Entstehung des illustrierten Buchs „Die Eisjungfrau“, ebenfalls ein Märchen von Hans Christian Andersen, dokumentiert (A3, Abb. 7). Die Illustrationen wurden von Bossard auf das Jahr 1901 datiert; sie waren offenbar für die „Jungbrunnen“-Reihe vorgesehen. Erhalten ist ein Brief von Franke an Bossard, laut dem Fischer und Franke nach dem schlechten Verkauf der „Geschichte von einer Mutter“ von der Herausgabe der „Eisjungfrau“ absahen. Nachdem sich Franke 1910 mit einem eigenen Verlag selbständig gemacht hatte, wollte er nunmehr die Publikation herausgeben, zu der er die Reproduktionsrechte innehatte.27 Es ist also davon auszugehen, dass Bossard für seine Illustrationen ein Honorar erhalten hatte und die Zeichnungen in den Besitz des Verlags Fischer & Franke übergegangen waren.

Einige Briefe Frankes an Bossard aus dem Jahr 1910 – die Antworten des Künstlers sind nicht bekannt – erhellen die weitere Publikationsgeschichte. Sie beschäftigen sich vor allem mit dem Titelbild zum Buch. Am 11.7.1910 erwähnte Franke die „s. Z. gelieferte Umschlagzeichnung nur für einen im Buchdruck hergestellten Umschlag“ und bot dem Künstler 40 Mark für das Zeichnen eines Einbands, „der etwa in drei Farben hergestellt werden kann. Die Bezeichnung ‚Jungbrunnen‘ darf nicht darauf […].“28 Am 27.8.1910 berichtete Franke, er habe „die Umschlagzeichnung klischieren und das Wort ‚Jungbrunnen[‘] daraus entfernen lassen. […] Ich hätte gern eine andere Zeichnung gehabt und die vorhandene nur für den Innentitel verwendet, da sie doch als Umschlag gedacht ist, ich aber einen festen Einband geben möchte, den man stilistisch meist etwas anders, einfacher, flächenhafter gestaltet entsprechend dem Material des Einbandes.“29 Offenbar hatte Bossard die erbetene neue Einbandzeichnung nicht abgeliefert. Am 20.9.1910 bat Franke den Künstler, „auf der Originalzeichnung, die ich Ihnen gleichzeitig zusende, die Worte ‚Ein Märchen‘ zu entfernen, und dafür ‚Erzählung‘ zu setzen“, da er sich davon eine verkaufsfördernde Wirkung versprach. „Gleichzeitig darf ich Sie wohl bitten, die Zeichnung in einfacher Weise in Farben zu setzen, wie den Umschlag zu den Volkserzählungen“.30 Am 11.10.1910 sandte Franke dem Künstler drei Andrucke des Einbandbildes und bat ihn darum, diese „in Farben [zu] setzen“ und für die Herstellung der Druckplatten zügig zurückzusetzen.31 Am 18.10. erklärte er dann: „Ich machte heute den Versuch die Umschlagplatte ohne Farben zu drucken, derselbe hatte ein so überraschend gutes Ergebnisss [sic] zur Folge, dass ich Sie bitte sich wegen der Farbengebung des Umschlags nicht weiter zu bemühen, denn wir werden sehr gut ohne Farben auskommen“.32

Offenbar hatte Bossard die erbetenen farbigen Einfügungen nicht abgeliefert und der Verleger behalf sich daher anderweitig. Es scheint, dass der Künstler neun Jahre nach der Anfertigung der Illustrationen das Interesse am Projekt verloren hatte.

Im Vergleich mit den beiden frühen buchkünstlerischen Werken Bossards ist „Die Eisjungfrau“ deutlich weniger aufwändig gestaltet. Der Text ist in Fraktur gesetzt, Bossards Illustrationen mit von Hand in Fraktur geschriebenen Titeln sind in den Satzspiegel eingefügt. Nur die Vorderseite des Einbands, wohl die von Franke erwähnte „Umschlagzeichnung“, zeigt noch die charakteristische Verbindung von Bildern und von Hand geschriebener Fraktur, die die „Geschichte von einer Mutter“ auszeichnet. Diese Einbandgestaltung findet sich lediglich in der Buchausgabe des Holbein Verlags von 1910, während der Einband der „Eisjungfrau“ in den erhaltenen Ausgaben aus A. W. Franke´s Verlag typografisch gestaltet ist, des Weiteren mit vignettenartigen Zierelementen, die nicht von Bossards Hand stammen.

Ähnlich wie bei „Wanderschaft“ sind in Bossards Illustrationen die Anklänge an den Jugendstil aus der Formensprache getilgt; die Kostüme weisen teils Schlitzungen und gepuffte Ärmel auf, die an die Mode der Renaissance in Deutschland erinnern. Es ist anzunehmen, dass der Künstler hier Anregungen der Verleger Fischer und Franke umsetzte.

Volkserzählungen

Die von Johann Bossard illustrierten „Volkserzählungen“ erschienen 1901 als Heftausgabe der „Jungbrunnen“-Reihe (A4). Die Datierung ergibt sich unter anderem aus der auf eine der Illustrationen gesetzten Jahreszahl, andererseits ist durch die Korrespondenz Bossards belegt, dass er 1901 und 1902 einige „Jungbrunnen“-Hefte verteilte, wohl seine Freiexemplare.33 Ob die Entstehung vor oder nach den Illustrationen zur „Eisjungfrau“ anzusetzen sind, die ebenfalls auf 1901 datiert sind, ist unklar.

Jungbrunnen, Volkserzählungen mit Bildern geschmückt von Joh. Boßard, Umschlagvorderseite, 1901, BJB2429, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Jungbrunnen, Volkserzählungen mit Bildern geschmückt von Joh. Boßard, Umschlagvorderseite, 1901, BJB2429, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Die „Volkserzählungen“ enthalten Schwänke und Märchen aus dem „Volksbüchlein“ von Ludwig Auerbacher (1784–1847): „Der schwäbische Sonn- und Mondfang“, „Die Hausfrauen“, „Der Fruchbaum“, „Der lustige Schuster“ und „Abbas der Weise“. Ob die Auswahl vom Künstler vorgenommen wurde oder ob dieser den Vorschlägen seiner Verleger folgte, ist nicht belegt. Die Heftausgabe enthält keinerlei Hinweise auf den Autor der Texte, lediglich „Joh. Boßard“ ist als Illustrator auf dem Einband genannt. Das Einbandmotiv veranschaulicht die Thematik der „Volkserzählungen“ gleichermaßen wie die Programmatik des „Jungbrunnen“ (Abb. 8): Ein knorriger Baum und ein bärtiger Greis mit leicht geöffnetem Mund und lehrend erhobener Rechten stehen für die traditionelle, volkstümliche Überlieferung. Sie wird an die nachwachsende Generation übermittelt, verkörpert durch zwei lauschende Kinder und eine junge Frau. Ein Brunnenrohr mit sprudelndem Wasser symbolisiert den Titel gebenden „Jungbrunnen“, zahlreiche Sterne überhöhen die Darstellung und heben sie ins Überzeitliche. Im Vergleich mit den Illustrationen zur „Geschichte von einer Mutter“ fällt die Ausmerzung fast aller an den Jugendstil erinnernden Elemente auf; die Umschlagzeichnung ist im idealisierenden Stil in der Nachfolge eines Ludwig Richter (1803–1884) gehalten.

Jungbrunnen, Volkserzählungen mit Bildern geschmückt von Joh. Boßard, Seite1 (n.p.), 1901, BJB2429, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Jungbrunnen, Volkserzählungen mit Bildern geschmückt von Joh. Boßard, Seite1 (n.p.), 1901, BJB2429, Foto: Iris Brandes, Brandes-Design, Buchholz i. d. Nordheide

Bei den Illustrationen und dem Buchschmuck im Heft handelt es sich um Strichätzungen, wohl nach Federzeichnungen des Künstlers (Abb. 9). Neben drei ganzseitigen sind zahlreiche kleinere Darstellungen sowie vignettenartige Elemente mit inhaltlichem Textbezug vorhanden. Sie wurden eng mit dem gedruckten Text verzahnt, teils in ihn eingebettet, oder rahmen ihn. Als Schrifttype kam für den gedruckten Text wie in den übrigen Heften des Jahrgangs eine Rotunda zur Anwendung, die aufgrund der geringen Brechungen der Buchstabenbögen leichter lesbar ist als eine Fraktur. Bossards Illustrationen enthalten zudem die Titel der einzelnen Textstücke, die er in ganz unterschiedlichen Schriftarten von Hand zeichnete. Deutlich ist ein Bemühen um eine gestalterische Verzahnung von Text und Illustrationen.

Die Illustrationen im Buchinnern zeigen ein verstärktes Bemühen um eine mutmaßlich ‚volkstümliche’ Gestaltungsweise. Sie sind eher im akademischen Stil gehalten, weisen aber auch skizzenhaft verkürzte, karikaturartige Elemente auf. Die Kleidung der Dargestellten ist stärker an historischen Vorbildern orientiert, teilweise auch geschlitzt und gepufft, ähnlich wie in den ‚altdeutschen’ Illustrationen eines Franz Stassen oder eines Georg Barlösius.

Bossard zeigt in der Gestaltung der „Volkserzählungen“ damit ein deutliches Bemühen, sich dem programmatischen Anliegen des Verlags von Fischer & Franke stilistisch anzupassen. Dabei war er nach wie vor bestrebt, eine möglichst stimmige gemeinsame Gestaltung von Bild und Text zu erreichen. Auch darin wird er den Wünschen der Verleger entsprochen haben, gleichzeitig folgte er darin den Forderungen der Buchkunstbewegung.

Zusammenfassung

Mit den 1901 publizierten „Volkserzählungen“ und den auf 1901 datierten Vorlagen zur „Eisjungfrau“ findet Bossards Arbeit als Buchillustrator ein abruptes Ende. Angesichts der fehlenden Quellentexte kann an dieser Stelle nur über die Ursachen spekuliert werden. Denkbar ist, dass Fischer und Franke angesichts der schlechten Verkaufszahlen der „Geschichte von einer Mutter“ auf eine weitere Zusammenarbeit mit Bossard verzichteten; möglicherweise bevorzugten sie jedoch auch die Zusammenarbeit mit anderen Illustratoren, deren Stil ihnen stärker zusagte.

Für Johann Bossard muss die Arbeit für den Verlag von Fischer & Franke eher enttäuschend gewesen sein. Von den vier illustrierten Büchern, die er für den Verlag entwarf, wurden zunächst nur zwei realisiert (und wohl drei bezahlt). Der stilistische Wandel hin zu einer stärker akademisch-historistischen Gestaltung lässt manche Diskussion und manchen Nachbesserungswunsch der Verleger ahnen, die für Bossard auch belastend gewesen sein mögen. Gerade die Mischung aus akademischen und karikaturartigen Elementen in den Illustrationen zu den „Volkserzählungen“ ist gestalterisch nicht immer überzeugend; dies findet seine Erklärung wohl am ehesten in einem Versuch des Künstlers, entgegen den eigenen gestalterischen Idealen den Vorstellungen der Auftraggeber zu genügen. Dass Bossard auf Frankes Briefe zur Publikation der „Eisjungfrau“ von 1910 wohl nur spärlich antwortete und dem Wunsch nach einer neuen Umschlagzeichnung nicht nachkam, könnte auch eine späte Reaktion des Künstlers auf eine schwierige Geschäftsbeziehung gewesen sein.

Werke im akademischen Stil mit Kostümen in ‚altdeutscher’ Tracht schuf Bossard nach den Buchillustrationen für Fischer & Franke nicht mehr. Dafür kann es zwei mögliche Erklärungen geben: Entweder teilte er ihre Vorstellung von einer national-gesellschaftlichen Erneuerung mit Hilfe der bildenden Kunst zu diesem Zeitpunkt nicht, oder aber er war derselben Auffassung, wollte das Ziel jedoch mit anderen stilistischen Mitteln erreichen.

Juli, undatiert (um 1918–1928), JB1833, Foto: Christoph Irrgang, Hamburg

Juli, undatiert (um 1918–1928), JB1833, Foto: Christoph Irrgang, Hamburg

Nicht zu unterschätzen ist der große gestalterische Aufwand, den Bossard insbesondere für die „Geschichte von einer Mutter“ und die „Wanderschaft“ betrieb. Beide Werke genügen auf mustergültige Weise den Anforderungen, die zu ihrer Entstehungszeit in Deutschland an das künstlerisch gestaltete Buch gestellt wurden. Sie legen Zeugnis ab von Bossards hohem Anspruch an die Qualität seiner Arbeiten, ebenso aber auch von dem unbedingten Willen zum Erfolg, mit dem er sich dieser für ihn neuen Aufgabe widmete. Gerade vor diesem Hintergrund ist es gut vorstellbar, dass ihn kritische Rückmeldungen von Fischer und Franke entmutigten und auch davon abhielten, die Zusammenarbeit mit weiteren Verlegern zu suchen.

Die Text-Bild-Gemeinschaft und das Erzählen in Bildern sollten Johann Bossard dennoch intensiv in seinem weiteren Schaffen begleiten. Kurz nach Ende der Zusammenarbeit mit Fischer & Franke begann er mit der Arbeit an seinem großen druckgrafischen Zyklus „Das Jahr“ (D1, 1903–1921), in dem er seine ganz persönlichen gestalterischen und gedanklichen Vorstellungen verwirklichte. Für diesen Zyklus verfasste er auch eigene Texte, die er auf einigen der Einzelblätter unterbrachte, ebenso wie für den späteren grafischen Zyklus „Der Held“ (D2, 1909–1922) und die möglicherweise zwischen 1918 und 1928 entstandenen „Monatsblätter“ (Abb. 10).34 In diesen Werken, die nicht mehr als Auftragsarbeiten entstanden, sondern sich an einen offenen Markt richteten, verwirklichte Bossard seine Vorstellung von einem umfassenden Werk aus dem kreativen Schaffensdrang einer einzigen, möglichst vielseitig tätigen Künstlerpersönlichkeit heraus.

Empfohlene Zitierweise

Mayr, Gudula, Johann Bossard als Buchillustrator, in: Johann Bossard: Werkverzeichnis der Druckgrafik, bearb. v. Tina Lebelt, hrsg. v. Gudula Mayr, Schriften der Kunststätte Bossard Bd. 15, Jesteburg 2015, url (zuletzt abgerufen am …).


[1]
Für die Zeit zwischen 1899 und 1902 ist Bossards Studium an der Königlichen akademischen Hochschule für die bildenden Künste belegt, ab dem 10.12.1901 im Meister-Atelier des Historienmalers Arthur Kampf (1864–1950). 1900 erhielt er ein Stipendium der Unterrichts-Anstalt des Königlichen Kunstgewerbe-Museums, das auf ein entsprechendes Studium schließen lässt (alle Nachweise AJB 271). Als seinen Lehrer an der Kunstgewerbeschule bezeichnete Bossard später Max Seliger (1865–1920), was durch eine Antwort Seligers auf einen Brief Bossards belegt ist (Brief von Max Seliger an Johann Bossard, undatiert, AJB 271).
[2]
Wiese 2005, n.p.
[3]
Zur qualitativen Netzwerkanalyse als methodischem Ansatz in der Kunstgeschichte s. Hartog 2014, insbes. S. 86f.
[4]
Zu Franke s.: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 92 (1925), Nr. 12, S. 666.
[5]
Vgl. zu Fischer & Franke sowie zur „Jungbrunnen“-Reihe auch Grautoff 1901, S. 143–160.
[6]
N.N. 1899, S. 384.
[7]
Schliepmann 1899, S. 539f.
[8]
N.N. 1899, S. 385.
[9]
Grautoff 1901, S. 151.
[10]
Grabowsky 1909a und Grabowsky 1909b.
[11]
Grautoff 1901, S. 146.
[12]
Fischer & Franke, Berlin: Der Jungbrunnen ein Schatzbehalter deutscher Kunst und Dichtung, in: Der Bärenhäuter und die 7 Schwaben. Zwei Märchen in Bildern von Franz Stassen, Oktober 1899., n.p.
[13]
Schliepmann 1899, S. 540 (kursiver Text im Original). Der Rezensent bezieht sich hier auf eine Aussage des Buchhistorikers und Kritikers Theodor Goebel (1829–1916) über die „Bibliothek für Bücherliebhaber“ aus dem Verlag Fischer & Franke.
[14]
Brief von A. W. Franke an Johann Bossard auf Verlagsbriefpapier, 11.7.1910, AJB Leitz-Ordner „A“ bis 15. Okt 1910.
[15]
Die Fakten zum Holbein-Verlag in diesem Absatz folgen Würffel 2000, S. 378.
[16]
BJB0937.
[17]
Mayr 2012, u.a. S. 14.
[18]
Brief vom Aemil Fendler, Unterrichtsanstalt des K. Kunstgewerbe-Museums, an Johann Bossard, 15.6.1900, AJB155.
[19]
Auch für den folgenden Satz: Fok 1996, S. 14f.
[20]
Wiese 2005, n.p.
[21]
Entwürfe zum illustrierten Buch „Die Geschichte von einer Mutter“, 1900, Bleistift und Mischtechnik auf festem Papier, Einband mit 9 eingelegten Seiten, mit Leinenstreifen geheftet, 29 x 25 cm, JB1434.
[22]
Brief von A. W. Franke an Johann Bossard vom 11.7.1910, AJB Leitz-Ordner „A“ bis 15. Okt 1910.
[23]
Brief von Johann Bossard an Emil Hegg, 15.1.1913, AJB 178.
[24]
Brief von Johann Bossard an Emil Hegg, 3.3.1913, AJB 178.
[25]
Wanderschaft, Entwürfe für ein Künstlerbuch, 1900, Bleistift und Mischtechnik auf Papier, Einband mit 15 eingelegten Seiten, mit Leinenstreifen geheftet, 42 x 35 cm, JB1126. S. dazu auch Fok 1996, S. 54, Anm. 9.
[26]
Dies geht auch aus einem Brief aus dem Jahr 1900 hervor, in dem Bossard schrieb, er habe „weitere Aufträge für Entwürfe zu Buchillustrationen & selbstständigen Federzeichnungsfolgen erhalten“, denen er sich in nächster Zeit widmen wolle (Brief von Johann Bossard, fragmentarisch, undatiert, AJB 208).
[27]
Brief von A. W. Franke an Johann Bossard, 11.7.1910, AJB Leitz-Ordner „A“ bis 15. Okt 1910.
[28]
Ebd.
[29]
Brief von A. W. Franke an Johann Bossard, 27.8.1910, AJB Leitz-Ordner „A“ bis 15. Okt 1910.
[30]
Brief von A. W. Franke an Johann Bossard, 20.9.1910, AJB Briefordner S & B 1909–1912.
[31]
Brief von A. W. Franke an Johann Bossard, 11.10.1910, AJB Briefordner S & B 1909–1912.
[32]
Brief von A. W. Franke an Johann Bossard, 18.10.1910, AJB Briefordner S & B 1909–1912.
[33]
Briefe von Felix Peipers an Johann Bossard, 10.10.1901 und 1.5.1902, AJB148.
[34]
Briefe von Felix Peipers an Johann Bossard, 10.10.1901 und 1.5.1902, AJB148.
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